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Anlässlich der Sonderausstellung "Herzog Ludwig X. und die Renaissance. Ewig blühe Bayerns Land" (28. Mai – 27. September 2009) wurden mehrere Gemälde und ein Altar aus dem Bestand der Stadtresidenz Landshut und der Burg Trausnitz untersucht und restauriert.
Der kunstsinnige Herzog Ludwig X. von Bayern regierte von 1514 bis 1545. Seine Residenzstadt Landshut machte er zu einem Zentrum humanistischer Gelehrsamkeit und höfischer Kunst. Nachhaltig durch eine Italienreise geprägt, ließ Ludwig X. seine im deutschen Renaissancestil begonnene Stadtresidenz von einem italienischen Bautrupp aus Mantua vollenden. Zu seinen Hofkünstlern gehörten die süddeutschen Maler Hans Wertinger und Barthel Beham und der aus den Niederlanden stammende und in Italien geschulte Herman Posthumus. Im Rahmen der Sonderausstellung wurden zahlreiche der für Landshut geschaffenen Kunstwerke, die heute zum Bestand bedeutender Museen gehören, wieder an ihrem authentischen Ort gezeigt. Auch die Architektur der Stadtresidenz mit ihren sehr aufwendigen Deckenmalereien wurde gewürdigt. Der Altar in der Hofkapelle gehört zum Originalbestand der Stadtresidenz und ist daher von besonderer Bedeutung.
Ansicht der Kapelle mit Altar
Die 1543 geweihte Hofkapelle der Stadtresidenz war für ihre Zeit einzigartig und zeigt die Begeisterung Herzog Ludwigs X. für die Baukunst der italienischen Renaissance und die römische Antike.
Ludwig X. übertrug Herman Posthumus (ca. 1513 bis nach 1553) die Gestaltung seiner als Zentralbau angelegten Hofkapelle. Die ursprüngliche Ausmalung muss man sich komplett farbig und mit reichem Figurenprogramm vorstellen. Dieses ist durch eine Beschreibung von 1761 belegt, jedoch heute nur noch teilweise sichtbar. Die Wände zeigten die Darstellungen von lebensgroßen Aposteln und Frauendarstellungen, die sich der Himmelfahrt Christi in der Deckenmitte zuwandten. Musizierende Engel, die vier Propheten, die vier Evangelisten, vier Kirchenlehrer und Moses mit den Gesetzestafeln umrahmten die Mittelszene.
Vorzustand des Altars
(Mai 2008)
Das von Herman Posthumus geschaffene Altarretabel zeigt auf dem Hauptbild die Anbetung der Hirten. Ungewöhnlich ist der Ort des Geschehens, denn die Szene spielt in antikisierenden Ruinen. Sie konnten als die Grotten der Domus Aurea, Palast des Nero in Rom, identifiziert werden. Posthumus gehörte zu der in Rom verweilenden Künstlergruppe um Maerten van Heermskerck und hat die Domus Aurea nachweislich besichtigt. Auf der Predella ist die Anbetung der Könige dargestellt. Das Christuskind liegt auf einem antiken Altar, der die Signatur des Malers Posthumus "HERMAN/ POSTHU/ MUS PINX(IT)" trägt. Sowohl Maler als auch Auftraggeber begeisterten sich für die römische Antike.
Herman Posthumus (ca. 1513 bis nach 1553) begleitete 1535 offenbar Jan Vermeyen, den Maler Kaiser Karls V., auf dem Feldzug gegen das Osmanische Reich nach Tunis. Die orientalisch anmutende Hintergrundszene mit den Kamelen auf der Predella könnte demnach auf eigene Beobachtungen des Malers zurückgehen. Anhand von Rechnungen ist sein Aufenthalt in Landshut von 1540 bis 1542 belegt. Er malte nicht nur die christlichen Szenen in der Kapelle, sondern war auch an der Ausmalung der Prunkräume mit mythologischen Szenen beteiligt.
Befundstelle Raumschale
Säulen:
Vermutlich weiß mit partieller
Vergoldung
Befundstelle am Rahmenprofil
des Altargemäldes
Das heutige, weitgehend auf Grautöne reduzierte Erscheinungsbild der Kapelle entstand wahrscheinlich Ende des 18. Jahrhunderts in Zusammenhang mit der Übernahme der Residenz durch Pfalzgraf Wilhelm von Birkenfeld-Gelnhausen. Damals übermalte der Hof- und Fassmaler Augustin Demel Teile der Deckenmalereien. Auch später noch wurden partielle Überarbeitungen der Raumschale vorgenommen. Umfangreiche Übermalungen erfolgten in Zusammenhang mit der Wiederaufstellung des zuvor für hundert Jahre auf die Burg Trausnitz ausgelagerten Altars in den 1920er Jahren.
Die 2008/2009 durchgeführten Untersuchungen der Fassungen der Raumschale und der Altararchitektur belegen den vermuteten Zusammenklang der Farben des frühen 16. Jahrhunderts. Die ursprüngliche Farbigkeit der Altararchitektur, ein Farbkonzept aus Weiß, verschiedenen Grautönen, zwei Rottönen und partiellen Vergoldungen findet ihre Entsprechung an den Stuckornamenten der Raumschale (Befunde: Raumschale Thomas Hackelberger, Altararchitektur: Inga Pelludat).
Aufgrund von partiell nachgedunkelten Retuschen, einer starken Verschmutzung und ungleichmäßigem Oberflächenglanz sollten die Holztafelgemälde, die Ludwig X. für seine Palastkapelle bestellt hatte, im Hinblick auf die Sonderausstellung einer umfassenden Restaurierung unterzogen werden. Die nähere Untersuchung der Malereien zeigte, dass sie insgesamt in einem guten Gesamtzustand sind. Nur in wenigen Bereichen gibt es Malschichtverluste und punktuelle Schäden durch einen früheren Holzschädlingsbefall (zahlreiche Ausflugslöcher). Mit Hilfe von ultraviolettem Licht und Lösemittelproben konnten drei übereinanderliegende, unterschiedlich dicke und stark verfärbte Firnisse festgestellt werden. Aufgrund der Löslichkeit war ein hoher Ölanteil der Firnisse mit Wachsbeimischung zu vermuten. Der unterste und somit älteste, wahrscheinlich aber nicht mehr originale Firnis war nur noch in bräunlichen Restinseln erhalten. Der zweite Firnis war nur auf dem oberen Gemälde partiell entfernt und daher nicht mehr ganzflächig vorhanden. Festzuhalten ist, dass mindestens zwei frühere Restaurierungsmaßnahmen stattgefunden haben.
Teilw. verändertes
blaues
Gewand
von Josef
Bei einer früheren Abnahme des unteren schwer löslichen Firnisses wurden die oberen Schichten einzelner mehrschichtig angelegter Farbpartien partiell angegriffen. Besonders stark beschädigt sind die Farbschichten der mit Smalteblau und feinteiligem Braunpigment gemalten Gewandpartien von Josef auf dem Hauptgemälde. Die blaue Grundfarbe ist auf einem braun-gelb changierenden Lasurton (Imprimitur) aufgebracht und mit einer braunen Schattenfarbe "nass in nass" modelliert. Heute erscheint das Gewand eher graubraun als blau.
Querschliff bei 200-facher
Vergrößerung:
(a) grobkörniges Smalteblau
(b) mit daraufliegender dunkler
Schattenlasur
Die wahrscheinlich ölgebundene Smalteschicht reagierte empfindlicher als andere Farbpartien auf die vermutlich zur Firnisabnahme verwendeten aggressiven Laugen oder auch Säuren, mit denen bis in die 1960er-Jahre häufig gearbeitet wurde. Zusätzlich liegt wohl auch eine Farbveränderung der Smalte vor, wie an einer Anschliffprobe zu beobachten ist *.
* Ölgebundene Smalte kommt häufiger vor, als bislang angenommen wurde. Vgl. Pelludat, I; Richter M.: "Blaue Lüster auf Blattversilberungen. Entwicklungsgeschichte, Malmaterialien und maltechnische Quellenschriften", Seite 144 – 174. In: Kühlenthal, M.; Sadatoschi, M. (Hrsg.): Historische Polychromie. Skulpturenfassung in Deutschland und Japan. München 2004. (Smaltenachweis mit UV-VIS durch Dr. H. Piening)
Die Untersuchung der Maltechnik, der Schadensphänomene und der Restauriergeschichte war nötig, um die Risiken der anstehenden Restaurierungsmaßnahme richtig einschätzen zu können. Zunächst wurde angestrebt, nur eine Minimalmaßnahme durchzuführen. Im Vordergrund stand die Konservierung, also die Oberflächenreinigung, Festigung und Kittung der Malereien. Gleichzeitig wurde eine Verbesserung des ungleichmäßigen Oberflächenerscheinungsbildes angestrebt. Nachgedunkelte Retuschen, matte und streifige Firnispartien sollten besser integriert werden. Die partienweise stark variierende Löslichkeit und eine partielle Wasserempfindlichkeit der Firnisse stellte eine besondere Herausforderung dar. Da der mittlere Firnis zudem noch unterschiedlich reduziert war und sich der älteste Firnis durch punktförmige Flecken störend bemerkbar machte, wurde – auch aufgrund der starken Verfärbung der Firnisse – entschieden, doch eine umfangreichere Restaurierung mit Firnisabnahme durchzuführen. Das Arbeiten mit verschiedenen Lösemittelgelen erwies sich als schonende, das Original nicht gefährdende und effiziente Methode.
Durch die Entfernung der stark verbräunten Firnisschichten kommt nun die ursprüngliche kühle, aber leuchtende Farbigkeit des Gemäldes wieder zum Vorschein. Wie präzise die architektonischen Details der antiken Ruinen dargestellt sind, ist jetzt wieder erfahrbar.
Mit dieser Maßnahme der Firnisse lösten sich auch alte, zum Großteil bereits nachgedunkelte und daher das Erscheinungsbild störende partielle Ausbesserungen. Die kleinteiligen Fehlstellen mussten teilweise nachgekittet werden und wurden mit Mowilith 20 und Farbpigmenten einretuschiert. Abschließend wurden die Tafelgemälde neu gefirnisst.
Zwischenzustandsaufnahmen
während der Firnisabnahme
im August 2008
Aktuelle Untersuchungen zeigten, dass die heute nur teilweise ablesbare ursprüngliche Polychromie der Altararchitektur und der Raumschale eine Einheit mit den Tafelgemälden und den Wandmalereien bildete.
Für die Ausstellung im Jahr 2009 wurden nach gezielter Sondage an zwei Stellen der Kapellenwände die unter mehreren Überarbeitungen liegenden Renaissancemalereien teilweise freigelegt. Die figürlichen Darstellungen an den Wänden sind nur relativ reduziert erhalten. Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Aposteldarstellungen an der Decke von Augustin Demel überarbeitet, der auch in anderen Räumen der Stadtresidenz klassizistische Wanddekorationen ausführte. Demel ist einer der Fassmaler, die für den Rokokobildhauer Ignaz Günther tätig waren. Auch die Erstfassung an der Altararchitektur ist nicht mehr komplett vorhanden. Zudem sind Teile des Architekturrahmens, beispielsweise der Architrav, komplett ergänzt. Es handelt sich um Reparaturen, die wohl in Zusammenhang mit der bereits erwähnten Rückführung und der Wiederaufstellung des Altars in der Kapelle Anfang des 20. Jahrhunderts notwendig waren. Die Entwicklung eines Restaurierungskonzepts für die Raumschale und die Altararchitektur bedarf einer sorgfältigen Abwägung aller technischen Möglichkeiten, der Geschichte der Kapelle und ihres Erhaltungszustands.
Beteiligte Fachrestauratoren:
Ulrike Bültemeyer, Thomas Hackelberger, Inga Pelludat, Ingrid Stümmer, Maria Winner, Stephan Wolf
Text: Diplom-Restauratorin Inga Pelludat
Verwendete Literatur:
Dacos, Nicole: "Herman Posthumus in Landshut", in: Lauterbach, Iris; Endemann, Klaus; Frommel, Christoph Luitpold (Hrsg.): Die Landshuter Stadtresidenz, Architektur und Ausstattung. München 1998, Seiten 233-247.
Erichsen, Johannes: "Galerie und Kapelle der Stadtresidenz Landshut", in: Langer, Brigitte; Heinemann, Katharina (Hrsg.).: Ausstellungskatalog "Ewig blühe Bayerns Land. Herzog Ludwig X. und die Renaissance". Regensburg 2009; Seiten 107-115.
Thoma, Hans; Brunner, Herbert; Herzog, Theo: Amtlicher Führer der Stadtresidenz Landshut. München 1985 (Bayerische Schlösserverwaltung).
Fotos: Bayerische Schlösserverwaltung
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