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23. Januar 2019

Pressemitteilung

Zum 350. Todestag des kurfürstlichen „Stuckathors“ und Ausstattungskünstlers Wilhelm Pfeiffer

Bayern als innovativer Standort von Kultur und (künstlerischer) Innovation – dieses Image suchte man sich bereits im 17. Jahrhundert auf den Leib zu schneidern: Wichtiger Anteil kommt dabei dem kurfürstlichen „Stuckathor“ und Ausstattungskünstler Wilhelm Pfeiffer zu, der seinen musikalischen Nachnamen elegant zum weltmännischen „Fistulator“ latinisierte und dessen Tod im Januar 1669 sich heuer zum 350. Mal jährt. Betrachtet werden können seine Arbeiten noch heute in der Residenz München und im Neuen Schloss Schleißheim.

Unter der Herrschaft des ehrgeizigen Wittelsbachers Maximilian I. (reg. 1597–1651, seit 1623 als erster bayerischer Kurfürst) war Wilhelm, wie vor ihm schon sein Vater Blasius Pfeiffer/Fistulator, maßgeblich für den weithin hallenden Ruf der Münchner Residenz als der prunkvollsten und ambitioniertesten Schlossanlage des Reichs am Vorabend des Dreißigjährigen Kriegs verantwortlich. Denn nur die Künstlerdynastie Fistulator beherrschte das eifersüchtig gehütete Geheimnis, leuchtend bunte Bilder aus „Scagliola“ herzustellen, verblüffend plastisch und tiefenräumlich wirkende Wand- und Möbeldekorationen aus Hunderten von gegossenen, ausgeschnittenen und eingelegten Stuckmarmorplättchen. Ganze Raumfluchten der Residenz, die Maximilian zu Beginn des 17. Jahrhunderts teils neu errichten, teils neu ausstatten ließ, wurden flächendeckend mit diesen Marmorintarsien dekoriert. Obwohl Vieles in den Jahrhunderten seitdem und namentlich im Zweiten Weltkrieg verloren ging, machen allein die erhaltenen Arbeiten Wilhelms den einstigen Regierungssitz der Wittelsbacher, der heute sorgsam von der Bayerischen Schlösserverwaltung gehütet und betreut wird, bis in unsere Gegenwart zu einem internationalen Zentrum und Höhepunkt dieser einzigartigen Kunstgattung, die die Betrachter durch ihre optisch-haptischen Effekte seit jeher fasziniert – und zugleich höchsten Repräsentationswillen ausdrückt: Die spiegelnd polierten Einlegearbeiten an den Wänden des Antiquariums oder der sogenannten Trier- und Steinzimmer, den offiziellen Prunk- und Gästeappartements der frühbarocken Residenz, sollten einen wahrhaft kaiserlichen Glanz ausstrahlen.

Aus antiken Quellen wussten Maximilians Zeitgenossen, dass einst nur die Paläste der römischen Cäsaren mit farbigen Marmordekorationen geschmückt werden durften: Man wollte in München also in imperiale Fußstapfen treten (wohl nicht zuletzt mit einem herausfordernden Seitenblick auf die Habsburger Vettern in Wien, die seit dem 16. Jahrhundert ununterbrochen die kaiserliche Krone trugen). Zugleich suchten die Fistulator aber auch erfolgreich die Konkurrenz mit den berühmten großherzoglichen Hofwerkstätten der Medici in Florenz: Von dort kamen die europaweit begehrten „pietre dure“ – auch dies Einlegearbeiten, die aber im Unterschied zur Scagliola nicht aus gefärbten und gehärteten Gipsteigen, sondern aus buntfarbigen, „harten“ Steinen und Mineralien gefertigt wurden. Kein Wunder also, dass die Technik der Scagliola-Herstellung mit allen Mitteln exklusiv für das bayerische Herrscherhaus gewahrt werden sollte: Per Eid verpflichteten sich Blasius Fistulator und seine Nachfolger, ausschließlich für den Münchner Hof tätig zu werden und ihr Handwerk nur genehmigte Mitarbeiter, primär aus der eigenen Familie, zu lehren. Ihren Höhepunkt erreichte die Scagliola-Kunst in München im Jahr 1632: Als Dank an die Gottesmutter, der er die Verschonung seiner Hauptstadt durch die schwedischen Truppen Gustav Adolfs zuschrieb, ließ Maximilian I. die sogenannte „Reiche Kapelle“ der Residenz, die den Wittelsbacher Reliquienschatz beherbergte, von Wilhelm Fistulator mit einem bedeutenden Zyklus von Scagliola-Bildtafeln ausstatten: Nach berühmten Vorlagen, der Holzschnittfolge des „Marienlebens“ von Albrecht Dürer, schuf der „Hofstuckathor“ miniaturhaft kleine und doch detailreichste Szenen aus dem Leben der Jungfrau, die er in unendlich fluchtenden Säulenhallen und in der Ferne verblauenden Gebirgslandschaften verortete. Daneben strecken verblüffend plastisch wirkende Blumen ihre Blütenköpfe empor, die von winzigen Marmorinsekten umgeben sind.

Nach teilweise schweren Beschädigungen in den Weltkriegsjahren ist Wilhelm Fistulators Hauptwerk seit der Wiedereinrichtung der Reichen Kapelle wieder am originalen Bestimmungsort zu bewundern – auch wenn der kostbare kleine Raum zum Schutz der fragilen Einlegearbeiten und des mobilen Inventars leider nur in seinem vorderen Bereich betreten werden kann.

Biographische Daten zum Wilhelm Fistulator (nach 1587–1669)

  • geb. nach 1587 als ältester Sohn des Blasius Fistulator (Pfeiffer) und seiner Frau Maria

  • ab 1602 Lehrling, ab 1611 besoldeter Mitarbeiter seines Vaters Blasius Fistulator

  • ab 1621 Anstellung am Münchner Hof, ab 1622 folgt er dem verstorbenen Vater auf dem Posten des herzoglichen „Stuckhators“. In diese Phase fällt auch die Eheschließung mit der bei Blasius ausgebildeten Stuckatorin Barbara Hackl; dem Paar werden fünf Kinder geboren.

  • 1632: Arbeiten für die Reiche Kapelle der Münchner Residenz, Wilhelms künstlerisches Hauptwerk

  • 1636: Erwerb eines Hauses im Münchner Kreuzviertel, Prannerstraße 17

  • seit 1638 Ausstattung der Wohnräume der Kurfürstin Maria Anna von Österreich (nach Veränderungen im Zweiten Weltkrieg zerstört)

  • Anfang Januar 1669: Tod Wilhelm Fistulators in München, die Beisetzung erfolgt am 10. Januar

 

Liste erhaltener Werke

Residenz München
  • Antiquarium: Zwei Architekturansichten an Musiktribüne und Estrade, um 1630, Blasius oder Wilhelm Fistulator

  • Prunktisch mit achteckiger Scagliola-Platte mit Monogramm Maximilians I. und Elisabeths von Lothringen, Wilhelm Fistulator, 1625/30, Raum 106 („Zimmer der Ewigkeit“)

  • Prunktisch mit florentinischer Pietra-Dura-Platte und Lapislazuli-Dekor; Gestell mit Scagliola-Einlagen, Wilhelm Fistulatur zugeschrieben, München 1627/30–35, Raum 105 („Zimmer der Religion“)

  • Scagliola-Tafel mit Architekturprospekt auf nachträglich ergänztem Tischgestell, Wilhelm Fistulator, um 1635, Raum 107 („Zimmer der Jahreszeiten“)

  • Reiche Kapelle, ornamentale Scagliola: Blasius Fistulator, um 1607, darin eingelassen: 10 Szenen aus dem Marienleben, Bildtafeln mit Blumenstillleben, 1632 Wilhelm Fistulator (Westwand: nach Kriegszerstörung ergänzt oder rekonstruiert)

Neues Schloss Schleißheim
  • Scagliola-Verkleidungen in Kammerkapelle (Raum 21) und Stuckatur-Kabinett (Raum 34), Arbeiten von Wilhelm Fistulator für die Trierzimmer der Münchner Residenz, 1724 nach Schleißheim übertragen und dort eingebaut.

Weitere Informationen zur Residenz München finden Sie unter www.residenz-muenchen.de und zum Neuen Schloss Schleißheim unter www.schloesser-schleissheim.de.

 

Presse-Informationen:
Ines Holzmüller und Franziska Wimberger
Pressesprecherinnen der Bayerischen Schlösserverwaltung
Telefon 089 17908-160 und -180, Fax 089 17908-190, presse@bsv.bayern.de


Pressemitteilung 23. Januar 2019


 
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