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18. Mai 2017
Wie die Bayerische Schlösserverwaltung mitteilt, wird derzeit ein ganz besonderes Restaurierungsprojekt mit Unterstützung der Meitinger-Stiftung im Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg abgeschlossen.
Der Neue Prachtschlitten bzw. Kleine Galawagen König Ludwigs II. von 1878 (Schlitten mit Kasten) und 1879 (Wagengestell) ist das einzige erhaltene Multifunktionsfahrzeug des Münchner Hofs. Der prunkvolle Wagenkasten konnte je nach Bedarf und Jahreszeit auf das Wagen- oder das Schlittengestell umgesetzt werden. Trotz der luxuriösen Ausführung im Stil des Neo-Rokoko mit vergoldetem figürlichen Schnitzwerk war der Wagen ein voll funktionsfähiges Fahrzeug, das in der Umgebung von Schloss Linderhof und Hohenschwangau von König Ludwig II. häufig verwendet wurde. Zahlreiche Augenzeugenberichte von den einsamen Ausfahrten des bayerischen Königs sind überliefert. Am Schlittengestell selbst sind noch heute deutliche Gebrauchsspuren zu sehen.
Für den Austausch der Fahrgestelle wurde der Wagenkasten abgeschraubt und mit einem Flaschenzug angehoben. Im Kutschenkasten befinden sich noch die originalen Muttern, mit denen die Schraubbolzen befestigt wurden. Die Schrauben wurden bis ins Innere des Wagenkastens durchgeschraubt und von außen durch abnehmbare Ornamente verdeckt. Zusätzlich zu diesem hochmodernen, flexiblen System war das Fahrzeug bereits elektrisch beleuchtet, was für die vorzugsweise nächtlichen Schlittenfahrten des Königs sehr praktisch war. Im Wagenkasten befand sich unter dem Sitz ursprünglich eine Elektro-Batterie, mit der die beiden vorderen Glaslaternen beleuchtet werden konnten. Die Einstellung der Lichtstärke erfolgte mithilfe einer Drehscheibe durch den Lakai, der hinter dem Wagenkasten saß. Hightech und Luxus waren auch damals nicht umsonst zu haben: Der Königliche Hofwagenfabrikant Johann Michael Mayer erhielt für den „neuen blauen Prachtschlitten“ die stattliche Summe von 140.000 Mark, für das Wagengestell nochmals rund 118.000 Mark. Die dazu gehörigen kostbaren Gala-Geschirre kosteten etwa 66.000 Mark und umfassten zwei Mal sechs Geschirre für die sechsspännige Fahrt in roter oder blauer Ausstattung. Das komplette Ensemble kostete also 324.000 Mark. Zum Vergleich: Ein Steinmetz verdiente beim Bau von Neuschwanstein ca. 3,50 Mark am Tag, was bei einer 6-Tage-Woche ca. 80 Mark im Monat (brutto) brachte. Ein Gutshof mit allem Drum und Dran kostete ca. 9000 Mark (1871).
Nach der Restaurierung des Wagens 2015 wurde nun auch das dazugehörige Schlittengestell gereinigt und restauriert. Die Arbeit durch zwei Restauratoren dauerte ca. 3 Wochen (ca. 250 Stunden) und ist bis auf einige noch vorzunehmende Retuschen abgeschlossen. Sie kostet rund 13.000 Euro. Die Restaurierung vom 2015 (Wagenkasten und -gestell) kostete rund 22.000 Euro und benötigte 450 Arbeitsstunden. Bei der diesjährigen Maßnahme konnte das Restauratorenteam von den Erfahrungen der Reinigung und Restaurierung des Großen Galawagens König Ludwigs II. profitieren, die es 2014/15 für die Bayerische Schlösserverwaltung durchführte. So wurde für die Reinigung wieder ein damals eigens entwickeltes Schaumverfahren angewendet. Nach der intensiven Reinigung wurde die Fassung des Schlittengestells konserviert, die Gold-Fassung wurde gefestigt. Zudem wurde die Fassung wo nötig ergänzt und retuschiert. An den Metallelementen wurde zusätzlich zur Reinigung und Festigung der Rost entfernt. Die Maßnahme war die erste grundlegende Reinigung nach Jahrzehnten.
Beide Restaurierungen wurden großzügig finanziert von der Meitinger-Stiftung, München. Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Otto Meitinger, bis 1995 Präsident der Technischen Universität München, leitete als Architekt und Denkmalpfleger in den 1950er Jahren den Wiederaufbau der Residenz München und ist den Schlössern und ihren Kunstsammlungen sehr verbunden.
Nach der Restaurierung des Galaschlittens mit Putten (2011), des Zweiten Nymphenschlittens (2013) und des Neuen Galawagens (2014/2015) ist der Neue Prachtschlitten bzw. Kleine Galawagen das vierte Fahrzeug König Ludwigs II., das nun wieder in (altem) gepflegtem Glanz erstrahlt. Die noch ausstehende Restaurierung des Ersten Nymphenschlittens soll in diesem Jahr anschließen. Dann wären alle Ludwig II.-Fahrzeuge restauriert. Parallel zu den umfassenden Restaurierungen wird in den nächsten Jahren eine neue museale Präsentation mit analogem und digitalem Beschriftungssystem und verschiedenen Inszenierungen im Marstallmuseum umgesetzt. Neuer Lichtschutz und neue Beleuchtung tauchen schon heute die kostbaren Fahrzeuge in ein ansprechendes, konservatorisch unbedenkliches Licht.
Die weltweit einzigartige Sammlung von Kutschen König Ludwigs II. sowie der gesamte Bestand von Staats- und Galawagen der Wittelsbacher – insgesamt über 40 Fahrzeuge sowie Reit- und Fahrzubehör aus über 300 Jahren – war bis zum Zweiten Weltkrieg im alten Marstall am Marstallplatz nahe der Münchner Residenz untergebracht. 1952 wurde das Marstallmuseum in den ehemaligen Stallungen des Nymphenburger Schlosses eingerichtet. Das Marstallmuseum zählt zu den bedeutendsten seiner Art weltweit.
Pressekontakt Meitinger-Stiftung:
Dr. Cornelia Schmoll, LL.M.
Vorsitzende des Stiftungsvorstandes
Kaiserplatz 2,
80803 München
Telefon 0172 8244116
Presse-Informationen:
Ines Holzmüller und Dr. des. Cordula Mauß
Pressesprecherinnen der Bayerischen Schlösserverwaltung
Telefon 089 17908-160 und -180, Fax 089 17908-190, presse@bsv.bayern.de
Pressemitteilung 18. Mai 2017
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