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21. Oktober 2004
Durch eine Restaurierung haben die Bayerische Schlösserverwaltung und die Renate Strascheg Stiftung für Kunst, Kultur und Denkmalpflege die über 400 Jahre alte Bronzegruppe "Perseus und Medusa" vor dem Verfall gerettet. Nach vier Jahrhunderten unter freiem Himmel war die Oberfläche der Bronze so angegriffen, dass sie restauriert werden musste. Die Arbeiten konnten innerhalb eines Jahres fertiggestellt werden. Ein Abguss ziert nun den Perseusbrunnen im Grottenhof der Residenz, das wertvolle Original wird in der so genannten zweiten Paramentenkammer in der Residenz präsentiert.
Hubert Gerhard schuf die Bronze, die zu den bedeutendsten europäischen Bronzeplastiken der späten Renaissance zählt, für Herzog Wilhelm V. von Bayern um 1585/90 nach den Entwürfen von Friedrich Sustris als Bekrönung des zentralen Brunnens im Grottenhof.
Im Zuge der Arbeiten am Perseusbrunnen wurde auch die Brunnentechnik wie die Wasseraufbereitung und der Wasserumlauf erneuert: Aus dem Haupt der Medusa und aus ihrem Rumpf strömt ihr "Blut" in dünnen Wasserstrahlen in das Brunnenbecken. Die Abgüsse wurden im klassischen Bronzegussverfahren hergestellt.
Die Originale werden in der so genannten zweiten Paramentenkammer präsentiert, einem an der Residenzstraße gelegenen, gewölbten und stuckierten Raum, der auf die Zeit um 1600 zurückgeht. Die Paramentenkammern sind langfristig als Ausstellungsräume für Bronzen vorgesehen. Die Präsentation der Gruppe "Perseus und Medusa" bildet somit den Anfang eines neuen Museumsbereiches in der Residenz . Die Besucher können die Räume täglich im Nachmittagsrundgang des Residenzmuseums besichtigen. Der Grottenhof ist täglich im Vormittags- und Nachmittagsrundgang zugänglich.
Nur durch die großzügige Finanzierung der Renate Strascheg Stiftung für Kunst, Kultur und Denkmalpflege war es möglich, die Restaurierung durchzuführen und den Abguss herzustellen.
Die Renate Strascheg Stiftung für Kunst, Kultur und Denkmalpflege wurde im Jahr 2003 von der Namensgeberin Renate Strascheg ins Leben gerufen. Das besondere Interesse von Frau Strascheg gilt neben der zeitgenössischen Kunst schon immer auch historischen Kultur- und Denkmalgütern. Die Stiftung will durch ihr Engagement erreichen, dass historische Substanzen und bedeutsame Kulturdenkmäler restauriert und erhalten werden. Durch die Gewährung von Zuschüssen soll dazu beigetragen werden, dass der Bogen aus der Vergangenheit in die Zukunft gespannt wird und somit die "schönen Dinge der Vergangenheit" auch für nachfolgende Generationen zugänglich bleiben.
Hinweis: Folgende drei Texte begleiten auf Stofffahnen die museale Präsentation des Perseusbrunnens in der Residenz:
Perseus, der Sohn des Zeus und der Königstochter Danae, wird als Neugeborener von seinem Großvater Akrisios, König von Argos, der wegen eines Orakelspruchs den Tod aus der Hand seines Enkels fürchtet, zusammen mit seiner Mutter auf dem Meer ausgesetzt. Sie stranden auf der Insel Seriphos.
Der König der Insel, Polydektes, will Danae für sich gewinnen. Dabei ist ihm der inzwischen herangewachsene Perseus im Weg. Deshalb fordert er diesen auf, sein eigenes vermessenes Versprechen zu erfüllen, das Haupt der Medusa zu holen. Medusa, die Geliebte Poseidons, ist eine der drei Gorgonen und im Gegensatz zu ihren Schwestern sterblich. Ihr Blick lässt jeden, der sie ansieht, zu Stein werden.
Mit Hilfe der Götter Hermes und Athene verschafft Perseus sich die notwendige Ausrüstung: den unsichtbar machenden Helm des Hades, eine Zaubertasche und Flügelschuhe. Damit fliegt er in den äußersten Westen an das Ufer des Okeanos, wo er Medusa schlafend vorfindet. Um ihrem direkten Blick zu entgehen, beobachtet Perseus ihr Spiegelbild in seinem ehernen Schild, schlägt ihr mit einem Sichelschwert, das Hermes ihm geschenkt hat, das Haupt mit den Schlangenhaaren ab und steckt dieses in seine Zaubertasche. Während aus dem blutenden Rumpf der Medusa der geflügelte Pegasus entspringt, entgeht Perseus dank seiner Tarnkappe der Verfolgung durch die beiden anderen Gorgonen.
Auf dem Rückweg nach Seriphos zu Danae, seiner Mutter, vollbringt Perseus seine zweite, nicht minder berühmte Tat, denn er befreit die einem Meeresungeheuer ausgelieferte Andromeda, seine spätere Gemahlin. Als er nach dieser Tat das Medusenhaupt, das er immer bei sich trägt, auf frischen Zweigen am Meer ablegt, versteinern diese zu Korallen. Perseus versteinert mit dem Gorgonenhaupt auch seine Gegner, darunter König Polydektes. Danach schenkt Perseus das Gorgonenhaupt der Göttin Athene, die es fortan auf ihrem Schild führt. Als sich Perseus mit seinem Großvater Akrisios versöhnen will, tötet er ihn unabsichtlich beim Diskuswerfen. So erfüllte sich auch diesmal der Spruch des Orakels.
Die Bronzegruppe stellt den Moment nach der Tat dar: Der antike Tugendheld im Harnisch mit einem geflügelten Helm, der sein Gesicht überschattet, schreitet über den leblosen Körper der Medusa und hält ihr schlangenumzüngeltes, immer noch tödliche Blicke aussendendes Haupt empor.
Der Entwurf für das Bildwerk stammt von Friedrich Sustris (um 1540-1599), der als Kunstintendant Herzog Wilhelms V. von Bayern den Stil der Spätrenaissance am Münchner Hof prägte. Das Modell für den Guss schuf Hubert Gerhard (um 1540/50-1620), ein Bronzeplastiker von internationalem Rang, dem München eine Reihe bedeutender Bronzen verdankt. Beide Künstler, gebürtige Niederländer, waren dank längerer Aufenthalte in Florenz, dem damals führenden Zentrum der Bildhauerei und Bronzeplastik, mit den aktuellen Kunstströmungen vertraut.
Dort hatte der berühmte Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini als Ideal für die Skulptur gefordert, dass sie "von allen Seiten schön" sein solle. Sein 1554 in der Loggia dei Lanzi in Florenz aufgestellter Perseus war das direkte Vorbild für den Münchner Perseus. Die bei mehrfigurigen, frei stehenden Plastiken besonders reizvolle Vielansichtigkeit wurde von Giambologna weiter perfektioniert, der als Hofkünstler der Medici mit seinem individuellen Figurenstil die Bronzeplastik in Florenz und nachfolgend in ganz Europa prägen sollte. Daher ist auch die Münchner Perseusgruppe nicht ausschließlich auf eine Hauptansicht hin gestaltet, sondern bietet dem Betrachter beim Umschreiten ständig neue Aspekte.
In der Renaissance schätzte man Bronzen nicht zuletzt wegen ihrer lebendig wirkenden Oberfläche. Die Perseusgruppe von Hubert Gerhard besticht zudem durch ihre kleinteilige, qualitätsvolle Ziselierung.
Der Perseusbrunnen im Grottenhof folgt dem Schema italienischer Renaissancebrunnen. In einem runden, ebenerdigen Marmorbecken steht auf einem girlandengeschmückten Balusterfuß ein profiliertes, mit grotesken Masken geziertes Bronzebecken. In dessen Mitte erhebt sich als Brunnenpfeiler ein bronzener, naturalistisch gebildeter Felssockel mit der Perseusgruppe. Aus dem Haupt der Medusa und aus ihrem Rumpf strömt ihr "Blut" in dünnen Wasserstrahlen in das Brunnenbecken.
Den Grottenhof ließ Herzog Wilhelm V. von Bayern in den 1580er Jahren nach Entwürfen seines Kunstberaters Friedrich Sustris nach dem Vorbild italienischer Renaissancegärten anlegen. Man bezeichnete ihn damals als das "Geheime Lust- und Residenzgärtlein", das Angehörigen des Hofstaates und geladenen Gästen vorbehalten war. In originaler Form erhalten blieb nur die offene Grottenhalle im Osten. Die gegenüberliegende Bogenhalle wurde um 1730 geschlossen. Damals wurden auch die Fassaden neu gestaltet.
Die Grottenarchitektur besteht aus Tuff- und Tropfsteinen, farbigen Muscheln und Kristallen. Einst war sie überdies mit roten Korallen geschmückt. Die Brunnenwand der Grotte wird von einer vergoldeten Bronzestatue des Merkur (dem griechischen Hermes) bekrönt. Merkur findet sich auch auf den Wandbildern der Grottenhalle mit Szenen aus dem Götterhimmel. Das Gesamtprogramm ist den Naturgottheiten und Elementen sowie Apoll, Merkur und Athene als Vertretern der Wissenschaften und Künste gewidmet. Entsprechend standen im Garten und in den Fassadennischen antike Marmorstatuen. Dieses mythologische Programm kulminierte in der Perseusgruppe. Die Grotte mit ihren Korallenästen scheint, wie die antiken Skulpturen, vom Blick der Medusa versteinert.
Die Perseusgruppe ist als Teil der Suche nach der idealen, der schönen Form zu sehen. Hier wird die "Natur" ganz im Sinne des Weltverständnisses der Renaissance, von der "Kunst" übertroffen. Zugleich entwickelte sich die Wittelsbacher Residenz dank solcher Bronzebildwerke zu einem der führenden Höfe der Spätrenaissance.
Presse-Informationen:
Ines Treffler, Pressesprecherin der Bayerischen Schlösserverwaltung
Telefon (0 89) 1 79 08-160, Fax (0 89) 1 79 08-190, presse@bsv.bayern.de
Pressemitteilung 21. Oktober 2004
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